Herz aus Seide

Rezension: "Herz aus Seide"
Rezensentin: Sonja Ceri

Remco Campert: Herz aus Seide


Remco Campert. Herz aus Seide. Arche Verlag. 2007.189 Seiten. 18,00€

Zum Buch:
"Das Herz aus Seide" von dem niederländischen Autor Remco Campert ist ein großes Alterswerk voll bissiger Kommentare.

Hendrik van Otterloo, Avantgardekünstler und Egozentriker, lebt wie ein Einsiedlerkrebs zurückgezogen vom kulturellen Leben. Seine Bilder hängen in allen Museen der Welt, doch das interessiert ihn nicht mehr. Künstlerisch hat er sich schon lange aufgegeben. Sein bestes und letztes Werk - ein Selbstporträt - malte er vor zwanzig Jahren, in einer verzweifelten Nacht, als ihn seine Amour foux Cissy verließ.

Nun als alter Greis beobachtet er sich selbst beim Älter werden und ist erstaunt über den Zerfall des eigenen Körpers. Mit seiner grimmigen Art bringt der nörgelnde Alte seine Mitmenschen zur Verzweiflung. Gepflegt wird er von seiner Halbschwester Bettina, die gleichzeitig seine einzige bestehende familiären Bindung darstellt. Erinnerungen von früher hat er kaum an sie, er nahm lediglich zur Kenntniss, dass sie geboren wurde. Für ihn zählte immer nur das Leben und die Leidenschaft für die Kunst.

Nur wenn sein Freund Jongerius Jr zu Besuch kommt, dem er bei einem Gläschen Genever sarkastische Weisheiten an den Kopf schmeißen kann, blüht Van Otterloo auf. Sein Freund, ebenfalls Avantgardemaler und berühmt wie er selbst, steht noch trotz seines Alters mitten im Leben. Jongerius Jr versucht ihn immer wieder aus seinem Schneckenhaus zu locken, aber van Otterloo fühlt sich nicht mehr verbunden mit dem Leben, dass sich um ihn herum abspielt. Dass sich die Welt ohne ihn weiter gedreht hat, macht ihm Angst. Nur selten überwindet er sich vor die Tür zu gehen. Als der heillose Egomane eines Tages die Todesanzeige der längst verdrängten Cissy in der Zeitung entdeckt, trifft es ihn wie einen Schlag. Die zurückkehrenden Erinnerungen reißen ihn aus seinem Konzept. von der Zeit, in der er Cissy begehrte, ist nur Bitterkeit geblieben. Van Otterloo fällt zurück durch die Zeit und er schaut als alter Mann auf sein Leben. Nach einem Ausflug zum Meer, zu dem ihn Bettina überreden kann, merkt er erst wie eingesperrt er in seinen eigenen vier Wänden lebt. Auch das Atelier, in dem er einst sein bestes Bild gemalt hat, hat er Jahrzehntelang nicht mehr betreten. Nun soll es abgerissen werden. Plötzlich holt ihn alles wieder ein und es bleibt ihm nichts anderes übrig als sich seiner Vergangenheit zu stellen. Die Erinnerungen sind zurück und auch die Lust wieder ein großes Bild zu malen. Mit wenig Bitterkeit und umso mehr Sarkasmus hat Campert hier ein Werk u?ber das A?lterwerden verfasst, das gleichzeitig realistisch wie träumerisch anklingt. Der Zerfall des eigenen Körpers ist selten witzreicher und mit so viel Leichtigkeit beschrieben worden. Man kommt nicht umhin, den Alten zu bewundern, der trotz seiner Egozentrik am Ende seines Lebens den Schritt zur Selbstreflexion wagt. Seinen Lebensballast wirft der Maler nicht direkt ab, sondern zerteilt ihn in erträgliche Häppchen. Das ist zwar schmerzhaft, aber eröffnet dem Protagonist den Weg zur Befreiung einer egoistischen Seele. Das Wiederfinden der Lebenslust und der Mut zu einem Neuanfang werden gepaart mit einer mürrischen Alterskomik. Zwar ist der Roman nicht sehr handlungsreich, dafür eine ironische Alterstudie.

Herz aus Seide ist der jüngste Roman des niederländischen Lyrikers und Essayists.

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